Alkovendraperie aus dem Voltairezimmer in Schloss Sanssouci, rechter Längsschal
Beschreibung
Der Längsschal ist Teil einer Alkoven- und Fensterdraperie, die aus dem 4. Gästezimmer, dem sog. Voltairezimmer, in Schloss Sanssouci stammt. Zur Ausstattung gehören je zwei Längsschals (IX 1000 und IX 1001 bzw. IX 1003 und IX 1004 und ein Querbehang (IX 1002 bzw. IX 1004). Die Stickerei ist mit Baumwollsatin (5-bindig, K 34 Fd/cm, S 24 Fd/cm) hinterfüttert, an der linken und der Unterkante mit einer Schnur gesäumt. Zehn Eisenringe, an die Oberkante genäht, dienten einst der Aufhängung.Alkoven- und Fensterdekoration bilden Teil der umfangreichen Neuausstattung des Voltairezimmers, das kurz nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV. 1840 als eines der neuen Wohnräume des Königspaares zum Toilettenzimmer Königin Elisabeths umgestaltet wurde (vgl. IX 1275). Bei dieser Neuausstattung beließ das Königspaar die reich mit geschnitzten Rocaillen mit Blumen, Früchten, Papageien, Affen und Fischreiher ausgeschmückten und mit Lack farbig gefaßten Wände und stimmte die Möblierung auf diese ab. Hierzu gehören neben den Alkoven- und Fensterdekorationen auch die mit Szenen aus den Fabeln von Lafontaine bestickten Polstermöbel (IX 1275 bis IX 1291, IX 1053, IX 1337, IX 1353 bis IX 1356) und ein Wandschirm (IX 1328). Einem Nachtrag des Inventars zufolge entstanden die Vorhänge allerdings nicht sofort mit der Neueinrichtung des Raumes in den frühen vierziger Jahren, sondern kamen als späterer Zugang der fünfziger Jahre hinzu. Dennoch wurden sie sicherlich in ihrer sehr qualitätvollen Arbeit direkt für das Voltairezimmer entworfen, denn die Rahmenrocaillen, Blumen, Früchte und Vögel - auch die der Querbehänge - greifen sowohl thematisch als auch farblich das Thema der außergewöhnlichen Raumdekoration wieder auf. Unzweideutig weisen die großen, dichten, etwas schweren Formen der Blüten, die Wahl und naturalistische Gestaltung der Gartenblumen und - in den Querbehängen - das Motiv der Blütenkränze auf eine spätbiedermeierliche Entstehung hin. Der entwerfende Künstler und die Sticker der Dekorationen sind nicht überliefert. Die Qualität des Entwurfs, die Größe der Ausstattungsteile und Feinheit der Ausführung legen jedoch eine professionelle Herkunft nahe. Vergleicht man die Gestaltung des erfinderischen, plastisch wirkenden Entwurfs und im Detail die der sehr fleischig, lebendig aufgefaßten Blüten mit den publizierten Vorlagen professioneller Stickmusterhersteller, so entdeckt man große Ähnlichkeiten in den von Ludwig Glüer um die Mitte des 19. Jahrhunderts publizierten Mustern. Von ihm stammen neben den üblichen Bierdermeiersträußen. Eindrücklich und in farbiger Pracht stellt die Vorlage für die Stuhllehne die große vielblättrige Blüte vor einer tief in den Hintergrund führenden Seenlandschaft vor. Den Sitz gestaltete Glüer nochmals mit der Blüte, nun zu einem Bouquet komponiert und von einem Kranz weiterer naturalistischer Blüten umrahmt. Die Gestaltung der Blätter und Blumen in ihrer tiefenräumlichen, stark schattierten, fleischig üppigen und reich bewegten Charakterisierung stimmt mit derjenigen der Voltairezimmer-Stickereien unmittelbar überein. Tatsächlich war Louis Glüer - seit 1846 in Berlin nachweisbar - ab 1850 "Königl. Hofstickmustermaler" und nannte sich auf seinen Vorlagenpublikationen "Königl. Hof Muster Maler u. akademischer Künstler". Sein Erfolg gerade in den 1850 Jahren kommt auch darin zum Ausdruck, dass er ab 1860 zudem als "Lotterie-Ober-Einnehmer" fungierte. Sein Unternehmen wurde ab 1878 von seinen Söhnen Louis, Hugo und Theodor Glüer als Stickmusterverlag weitergeführt, ab 1883 von Theodor Glüer alleine. Es liegt somit sehr nahe, daß Ludwig Glüer in seiner Funktion als `Königlicher Hofstickmusterzeichner` tatsächlich die Entwürfe für die Stickereien fertigte und sicherlich auch die Herstellung organisierte. Uta-Christiane Bergemann
Stickerei / Spitze | |
Hauptmaß: Höhe: 518.00 cm Breite: 123.00 cm | |
Wolle, ocker (ehemals naturweiß): gefachte Seide, Stickerei, halber Kreuzstich | |
IX 1000 | |
2023-10-05 23:54:54 | |
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Dieses Objekt im Museum
Die Hohenzollern ließen ab dem 17. Jahrhundert neben ihrer Hauptresidenz in Berlin verschiedene Schloss- und Gartenanlagen in der Havellandschaft bei Potsdam errichten. Der Gartengestalter Peter Joseph Lenné fasste im 19. Jahrhundert mehrere dieser Schloss- und Gartenensembles zu einer Kulturlandschaft zusammen, die 1990 in die UNESCO-Liste des Kulturerbes der Menschheit aufgenommen wurde. Die 1995 gegründete Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) pflegt diesen Reichtum brandenburgisch-preußischer Geschichte, betreut die Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen und macht sie auf vielfältige Weise der Öffentlichkeit zugänglich. Die SPSG ist ein Zusammenschluss der nach 1945 getrennten Schlösserverwaltungen in Potsdam und West-Berlin und knüpft an die bereits 1927 im Zuge der Vermögensauseinandersetzung mit dem Haus Hohenzollern gegründete preußische Schlösserverwaltung an. Derzeit verwaltet die SPSG über 150 historische Bauwerke sowie rund 800 Hektar Gartenanlagen. Über 30 Häuser aus fünf Jahrhunderten mit ihren hochkarätigen Kunstsammlungen sind der Öffentlichkeit regelmäßig zugänglich. Dazu gehören in Potsdam u.a. das Schloss Sanssouci, die Bildergalerie, das Neue Palais und Schloss Charlottenhof im Park Sanssouci sowie das Marmorpalais und Schloss Cecilienhof im Potsdamer Neuen Garten. In Berlin betreut die SPSG Schloss und Garten Charlottenburg, Jagdschloss Glienicke, Schloss Schönhausen und die Pfaueninsel. Hinzu kommen die märkischen Schlösser Rheinsberg, Königs Wusterhausen, Caputh und Paretz sowie das Schlossmuseum Oranienburg.