Handrick, Roland (2000) CC BY-NC-SA

Beschreibung

Die asymmetrische Wappenkartusche und der Rokokodekor des Gesimses mit Gittern datieren die Thronrückwand in die Mitte des 18. Jahrhunderts und weisen sie unzweideutig einem Thron Friedrichs II. oder seiner Gemahlin Elisabeth Christine zu. Bislang galt die Herkunft der Thronrückwand aus dem Audienzzimmer Friedrichs II. im Berliner Stadtschloss als gesichert. Diese Herkunftsbestimmung geht auf das Hauptbuch des Hohenzollern-Museums, Schloss Monbijou, zurück. Dort wird unter Nr. 7239 der "Thron [... beschrieben,] wahrscheinlich aus dem Thronzimmer des Stadtschlosses. Der Baldachin mit kurzem, rotem, silberbetreßtem Samtbehang. Auf der Rückwand ein Wappenschild mit den preußischen Königsadlern umgeben von C-Bögen, darüber Königskrone, zu beiden Seiten wilde Männer, die auf einen Rokokoornament mit Gitter und Rosengirlande stehen." Die Unsicherheit, die in dem einschränkenden Wort"„wahrscheinlich" noch zum Ausdruck kam, wurde in den nachfolgenden Führern durch das Hohenzollern-Museum weggelassen und die Herkunft des Thrones aus dem Berliner Stadtschloß mit Bestimmtheit angegeben. Dieser Zuordnung widersprach zwar Foerster in seinem Artikel zu Mathias Immanuel Heynitschek im Künstlerlexikon von Thieme-Becker, dennoch wurde sie weiterhin als gesichert tradiert. Bereits Foerster wies darauf hin, dass der Thron Friedrichs II. im Berliner Stadtschloss in Gold auf blauem Samt bestickt war, womit er auf die Farbgebung der gesamten Raumausstattung des Audienzzimmers Rücksicht nahm. Dies bestätigt der Zeitgenosse Friedrichs II. Friedrich Nicolai in seiner Beschreibung der königlichen Residenzstädte, der den Thron des Audienzzimmers folgendermaßen beschreibt: "Thron, Tapeten und Stühle von blauem Sammt. Die Goldstickerey im Thron von Heinischeck nach J. W. Meils Zeichnung." Die einzige frühere Angabe zur Thronrückwand aus dem Hohenzollern-Museum vor dem Hauptbuch des Hohenzollern-Museums findet sich im Inventar der Hoftapezierer von 1836 und 1866: "Die Stickerei von dem Thron aus dem Prinz Heinrichschen Palais, bestehend aus: 1 Schild mit Namenszug FRW und Krone. 2 Schildhaltern. 1 Verzierung als Umgebung des Ganzen in barockem Geschmack aus mehreren Theilen bestehend. Sammtlich in Gold gestickt, ächt und sehr schöne Arbeit in S[umm]a 20 Stücke." Später wurde noch der Vermerk zugefügt :"Jetzt in Monbijou asservirt [aufbewahrt]"; damit ist die Identifikation dieser Angabe mit dem Thron im Hohenzollern-Museum gesichert. Mit der Herkunft aus dem Palais des Prinzen Heinrich ist wohl nicht die ursprüngliche Herkunft des Thrones und der Rückwand nachgewiesen, zumal die bereits erfolgte Umänderung vom Monogramm "FR" (Friedericus Rex) zu "FRW" (Friedericus Wilhelmus Rex) eine Zweitverwendung nahelegt. Ein noch früherer Herkunftsnachweis konnte nicht eruiert werden. Die weiteren Residenzen in Potsdam und Breslau, von denen ebenfalls Angaben über gestickte Thronrückwände bekannt sind, besaßen Stickereien auf gelbem Samt oder blauem Taft. Da die an den Stickereien der vorliegenden Thronrückwand festgestellten fünf verschiedenen Samte aber alle rot waren, ist eine Identifikation mit der Potsdamer oder Breslauer Thronrückwand auszuschließen. Allerdings führen Inventare der Möbelkammer und Tapezierwerkstatt im 19. Jahrhundert mehrfach Throne mit Tressen und Stickereien auf, die nicht immer einem der bekannten Thronzimmer zuzuweisen sind. Daher wird auch die vorliegende Thronrückwand von einem Thron Friedrichs II. oder seiner Gemahlin stammen, der nicht durch die erhaltenen schriftlichen Quellen überliefert ist. Nach den Angaben Friedrich Nicolais wurden sowohl die Stickereien des Berliner als auch diejenigen des Potsdamer Thrones von dem Berliner Hofgoldsticker Heynitschek gefertigt. Tatsächlich weist die durch ein Gemälde Friedrich Bocks auch in ihrem Aussehen überlieferte Thronrückwand aus dem Audienzzimmer im Potsdamer Stadtschloss motivisch sehr große Ähnlichkeiten mit den erhaltenen Stickereien auf. Sowohl die Wappenkartusche mit dem asymmetrischen Rocaillerahmen, die Wilden Männer als auch die Rokokogesimse, auf denen sie stehen, stimmen überein. Lediglich die weitere Ornamentbildung der Gitter und Rahmen unter den Gesimsen unterscheidet sich. Eine weitere sehr ähnlich gestaltete Thronrückwand wohl aus der Zeit Friedrichs II. gibt Paul Bürdes Gemälde "Eröffnung des Allgemeinen Landtages der Monarchie nach der Thronbesteigung am 14. Januar 1861 im Weißen Saal des Berliner Schlosses" wieder, die sich aber ebenfalls in mehreren Details unterscheidet und laut Beschreibung eine schwarze Drapierung hatte. Möglicherweise handelte es sich hierbei um das - in neuem Zusammenhang verwendete - Wappen aus der Thronrückwand Friedrich II. des Berliner Schlosses. Wegen der engen Übereinstimmungen mit diesen weiteren, für Heynitschek überlieferten Thronwappen liegt es nahe, die vorliegende Stickerei diesem Hofgoldsticker zuzuschreiben, zumal außer ihm lediglich fünf bis sechs weitere Goldsticker in Berlin arbeiteten, von denen nur die Mitglieder der Familie Pailly ebenfalls Hofgoldsticker waren. Neuere Forschungen anläßlich der Ausstellung Friderisiko durch Alfred Hagemann und Nadja Geisler haben ergeben, dass es sich sehr wahrscheinlich um die Thronrückwand der Königin Elisabeth Christine aus dem Berliner Schloss handelt. Elisabeth Christine hatte mehr als bisher angenommen die repräsentativen Aufgaben für Ihren Gemahl Friedrich II. in Berlin erledigt, nicht nur, wenn sich dieser auf Kriegszug befand. Nicolai beschreibt dort 1769 eine Ausstattung von rotem Samt samt Baldachin und Thronstuhl. Uta-Christiane Bergemann / Susanne Evers

Objektart Stickerei / Spitze
Maße Hauptmaß: Höhe: 206.00 cm Breite: 164.00 cm
Material Stickerei: Metallgespinst, Goldstickerei, reliefiert, Anlegetechnik, Sprengtechnik, Plattstich - Stickerei: Metallahn - Stickerei: Metallfäden - Stickgrund: Seide, Samt
Inventarnummer IX 981
Stand der Infomationen 2023-10-05 23:54:54
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Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg CC BY-NC-SA

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Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

Die Hohenzollern ließen ab dem 17. Jahrhundert neben ihrer Hauptresidenz in Berlin verschiedene Schloss- und Gartenanlagen in der Havellandschaft bei Potsdam errichten. Der Gartengestalter Peter Joseph Lenné fasste im 19. Jahrhundert mehrere dieser Schloss- und Gartenensembles zu einer Kulturlandschaft zusammen, die 1990 in die UNESCO-Liste des Kulturerbes der Menschheit aufgenommen wurde. Die 1995 gegründete Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) pflegt diesen Reichtum brandenburgisch-preußischer Geschichte, betreut die Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen und macht sie auf vielfältige Weise der Öffentlichkeit zugänglich. Die SPSG ist ein Zusammenschluss der nach 1945 getrennten Schlösserverwaltungen in Potsdam und West-Berlin und knüpft an die bereits 1927 im Zuge der Vermögensauseinandersetzung mit dem Haus Hohenzollern gegründete preußische Schlösserverwaltung an. Derzeit verwaltet die SPSG über 150 historische Bauwerke sowie rund 800 Hektar Gartenanlagen. Über 30 Häuser aus fünf Jahrhunderten mit ihren hochkarätigen Kunstsammlungen sind der Öffentlichkeit regelmäßig zugänglich. Dazu gehören in Potsdam u.a. das Schloss Sanssouci, die Bildergalerie, das Neue Palais und Schloss Charlottenhof im Park Sanssouci sowie das Marmorpalais und Schloss Cecilienhof im Potsdamer Neuen Garten. In Berlin betreut die SPSG Schloss und Garten Charlottenburg, Jagdschloss Glienicke, Schloss Schönhausen und die Pfaueninsel. Hinzu kommen die märkischen Schlösser Rheinsberg, Königs Wusterhausen, Caputh und Paretz sowie das Schlossmuseum Oranienburg.

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